Die Beauftragung einzelner Gewerke kann einen Verbraucherbauvertrag begründen!
LG München I, Urteil vom 28.10.2021 - 5 O 2441/21
Das LG München hatte darüber zu befinden, ob die Vorschriften zum sogenannten Verbraucherbauvertrag auch dann Anwendung finden, wenn die Errichtung eines Einfamilienhauses nicht „aus einer Hand“ bzw. von einem Generalunternehmer erfolgt, sondern die einzelnen Bauleistungen an mehrere Auftragnehmer vergeben werden.
Dies ist insbesondere deshalb von Bedeutung, da die Regelungen zum Verbraucherbauvertrag nicht unwesentliche Begünstigungen für den Auftraggeber mit sich bringen.
Vorliegend ging es um beauftragte Erdarbeiten zur Errichtung einer Baugrube. Als der Bauherr mit dem Auftragnehmer über die Auftragssumme und den Umfang der Leistung in Streit geriet, widerrief er den Vertrag nach § 650i BGB und ließ die Baugrube von einem anderen Unternehmer errichten. Der Auftragnehmer sah darin eine freie Kündigung und verlangte den entgangenen Gewinn nach Abzug ersparter Aufwendungen.
Das LG München nahm das Vorliegen des Verbraucherbauvertrags i.S.d. § 650i BGB an und bestätigte den Widerruf des AG.
Zwar könnte man bei dem Wortlaut der Vorschrift tatsächlich annehmen, dass nur die schlüsselfertige Erstellung des Gebäudes unter den Begriff des Verbraucherbauvertrages fallen soll und eine Einbeziehung der Einzelvergabe hiervon ausgenommen sei.
Allerdings bedarf diese Annahme einer richtlinienkonformen Auslegung (EU-Richtlinie 2011/83/EU), um eine ansonsten bestehende Schutzlücke für größere Verbraucherbauverträge zu schließen.
Ein sachlicher Grund, warum der Bauherr bei gewerkeweiser Vergabe weniger schutzwürdig sei, als der Bauherr, der sein Haus aus einer Hand errichten lässt, sei mit dem Schutzzweck der Norm nicht in Einklang zu bringen. Ein Verbraucherbauvertrag sei deswegen auch dann anzunehmen, wenn der Verbraucher das Bauvorhaben in mehrere Bauverträge aufspaltet, die er mit mehreren Unternehmern isoliert abschließt.
Voraussetzung ist jedoch, dass eine Erheblichkeitsschwelle des Einzelgewerks überschritten sein muss. Ausschlaggebend ist der Umfang der Umgestaltung des Grundstücks, des finanziellen Aufwands, die Komplexität der baulichen Maßnahme sowie die Frage der konstruktiven Eigenständigkeit.
Dies sei jedenfalls bei der Errichtung des Baugrubenaushubs der Fall, da er die Grundlage für die Neuerrichtung des Gebäudes und für alle weiteren Bautätigkeiten darstellt.